»Unsere Welt geht vor die Hunde. Und wir müssen was dagegen tun. Lasst uns gemeinsam kämpfen für das, an was wir glauben.«

Das ist das gemeinsame Credo einer kleinen Revoluzzertruppe am Geschwister Scholl-Gymnasium. Im Mittelpunkt steht Lea, sie stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus, sie wächst im Wohlstand auf. Früher waren ihr Klamotten wichtig, Erfolge im Tennis und ihr Ansehen bei den Mitschülern. Unter dem Einfluss des neuen Mitschülers Tristan, dessen geheimnisvolle Vergangenheit nach und nach klarer wird, wird sie zu einem anderen Menschen. „Weltveränderung“ haben die Beiden sich auf die Fahnen geschrieben. Und so starten sie Aktionen im Supermarkt, im Bekleidungsgeschäft, im Autohaus, im Schlachthof, bei der Jahresversammlung der Banker und der Superreichen – und schließlich in einer Waffenfirma.

Es geht gegen Verschwendung und Luxus, SUVs, Tiertransporte, zu viel Müll, Profit und Geldgier, Rüstungsexporte und unmenschliche Miethaie. Die Oberstufenschüler wollen die Mitmenschen wachrütteln. Dabei erhalten sie Unterstützung von einigen Klassenkameraden, die bereit sind, mehr oder weniger Gewalt bei ihren Aktionen anzuwenden, gesellschaftliche Normen und Regeln mehr oder weniger zu durchbrechen. Sie nennen sich Die Welle und gehen immer professioneller vor: Am Ende maskiert und bewaffnet. Lea wird bei einer Aktion auf der Flucht vor der Polizei sogar angeschossen und landet im Krankenhaus. Einbruch, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – die Liste der Gesetzesbrüche wird immer länger.

Und doch steht der Betrachter emotional eindeutig auf Seiten der jungen Gesetzesbrecher. Ja, er fiebert sogar mit den Tätern mit. Wie das? Man sorgt dafür, dass wir uns mit Lea und Tristan identifizieren, ihren Plänen und ihren Idealen. Beide sehen sehr gut aus, verlieben sich ineinander, kämpfen für ihre Hoffnungen und Ideale. Die Spannung wird ähnlich wie beim Krimi hochgehalten, die flotte Musik tut das Übrige. Der Kampf für die bessere Welt erfordert nun mal Opfer, Kollateralschäden müssen in Kauf genommen werden. Und genau hier wird es gefährlich. Den mit seinen Helden mitfühlenden Zuschauern wird suggeriert: Wenn ihr das Richtige tut, sind Regeln und Gesetze egal. Die Gesetze hindern euch nur daran, eine bessere Welt, solidarisch mit den anderen, aufzubauen.

Die Protagonisten erinnern stark an die ebenfalls nicht unsympathisch wirkenden Hippies der 60er Jahre, an das Musical Hair, in dem die Akteure auf kreative Art und Weise höchst unterhaltsam die bürgerliche Welt und ihre angebliche Scheinmoral vorführen. Man denkt an Bonnie and Clyde, an die West Side Story und die Gewalteskalation, die auch bei der Welle eine wichtige Rolle spielt und die durchaus eines Tages bei Verbrechen im Stil der RAF enden könnte.

Gleich zu Anfang werden Leas Gewaltphantasien gezeigt – oder war der Traum Wirklichkeit? Die Ebenen verschwimmen: Sie bekämpft mit ihren Kumpanen die angeblich nationalistische und faschistische NfD. Gemeint ist natürlich die AfD, die absichtlichen Parallelen, auch zur NPD, sind überdeutlich. Sie schleicht sich in eine NfD-Versammlung und reicht dem völlig arglosen Redner, verkleidet als Saalkellnerin, ein vergiftetes (!) Glas Wasser.

Wie weit würdest du für deine Ideale gehen? Die Eingangsfrage ist damit beantwortet. Bis zum Giftmord – denn auf der Seite des Gegners, des politischen Feindes steht der Unmensch. Und hier, bei der Entmenschlichung des Feindes, bei der Verächtlichmachung, bei der Delegitimierung und Dämonisierung des Andersdenkenden, liegt das eigentliche Problem. Und genau hier zeigen sich die totalitären, hübsch verkleideten Tendenzen der Filmemacher. Die Serie ist, wenn man so will, die Generalabsolution für alle linksradikalen „Aktivitäten“. Die Faszination bei vielen (jungen) Leuten ist vorprogrammiert.

 

Ein Text von unserem Mitglied Michael Jahn.