Alter Wein in neuen Schläuchen:
Wie die CDU-FDP-Koalition das angloamerikanische Schulmodell als Muster ohne Wert kopieren will
Die Koalitionäre von CDU und FDP haben aus dem Desaster, das die Rot-Grüne Bildungspolitik der Gleichmacherei hinterlassen hat, erschreckend wenig gelernt. Zerstörten diese die insgesamt noch intakte bisherige Schulstruktur, indem man dem gegliederten Schulwesen unter anderem mit der brachialen Durchsetzung der zieldifferenten Inklusion und der sogenannten „Kultur des Behaltens“ fast den Todesstoß versetzte, legen CDU/FDP nun von der anderen Seite Hand an die tragenden Säulen unseres Bildungssystem.
Der Vertrag atmet in seinen schulpolitischen Teilen wie schon in den 90er Jahren aus dem Dunstkreis von CDU/FDP den Geist des angloamerikanischen Bildungssystems. Da verspricht man den Schulen unter dem Deckmantel der Freiheit die selbständige Gestaltung von pädagogischen Konzepten, die Bildung neuer Lerngruppen, also die Möglichkeit, die herkömmlichen Klassenverbände aufzulösen, eigenständig Lehrpläne und Stundentafeln zu entwerfen und sogar eine fast eigenständige Personalbewirtschaftung, verschweigt dabei aber, dass damit in Wirklichkeit der Beliebigkeit und dem Wildwuchs Tor und Tür geöffnet wird.
Darüber hinaus erweist sich das Ganze als Mogelpackung, weil natürlich alles unter dem Vorbehalt „verbindlicher Standards“ steht. Das heißt: die Schulen dürfen alles frei entwickeln, aber nur so, wie es das Ministerium über die Standards vorgibt. Eine Verschleuderung von Arbeitsenergie ist damit vorprogrammiert. Statt sich auf die lang bewährten Traditionen des deutschen Bildungssystems zurückzubesinnen, macht man Anleihen bei Systemen, die selbst erhebliche Schwächen haben. Und dieses Denken ist wohl die Basis der gesamten schulpolitischen Vorstellungen.
Dies gilt auch für die Universitäten. Laut Vertrag sollen „die Hochschulen des Landes an die akademische Qualität der besten Hochschulen in der Welt“ herangeführt werden. Keine Rede davon, dass man den unseligen Bolognaprozess wieder rückgängig machen will, der in erster Linie für den Qualitätsrückgang der Universitäten verantwortlich ist. Darüber hinaus nichts zu der Reform der Unterrichtsmethodik, nichts zum unseligen phonetischen Schreiben- und Lesenlernen, nichts zur Beendigung der zieldifferenten Inklusion, nichts zur Erhöhung der Studierfähigkeit von Abiturienten.
Statt dessen wieder die alte Leier von Konsumpopulisten: „Christdemokraten und Freie Demokraten eint die Überzeugung, dass alle Kinder […] individuell gefördert werden müssen, damit jeder einen erfolgreichen Lebensweg einschlagen und sich seine Wünsche und Träume erfüllen kann.“ Da haben wir wieder diese ewige Illusion des amerikanischen way of life. Mit Erziehung hin zu einem mündigen Bürger hat das Schul- und Bildungsprogramm der CDU/FDP nichts zu tun.
Und damit verfehlt es auch sein vorgebliches Ziel: die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die jungen Menschen einen erfolgreichen Lebensweg einschlagen werden. Die Mogelpackung nährt statt dessen wieder Illusionen.