Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2021 führten die Angriffe palästinensischer Gruppen aus dem Gazastreifen gegen den israelischen Staat im Zusammenhang mit dem lang anhaltenden Nahostkonflikt auch zu offenen Feindseligkeiten gegen die in Deutschland und vor allem in Nordrhein-Westfalen lebenden jüdischen Mitbürger. Synagogen in Bonn und Münster wurden angegriffen, israelische Fahnen wurden angezündet, Steine flogen.

Nach ihrer Motivation befragt, gaben mutmaßliche Täter gegenüber der Polizei an, dass der aktuelle Konflikt in Israel sie dazu veranlasst habe.[1] Bereits am Abend des 10. Mai 2021 hatten Unbekannte an der Gedenktafel am Standort einer ehemaligen Düsseldorfer Synagoge ein Feuer gelegt.

Als Reaktion auf diese Vorkommnisse wurden die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen in NRW verstärkt.[2] „Den Schutz jüdischer Einrichtungen im ganzen Land haben wir verstärkt“, erklärte Innenminister Reul. „Wir dulden in diesem Land keinen Antisemitismus. Angriffe auf jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen verfolgen wir mit aller Konsequenz.“ [3]

Nach Informationen der „Bild-Zeitung“ sind Vertreter jüdischer Gemeinden sehr besorgt.

„So soll es innerhalb der vergangenen 48 Stunden eine ‚erhebliche Zunahme‘ feindlich gesinnter Nachrichten, Anrufe und konkreter Vorfälle vor jüdischen Gemeinden gegeben haben. Die sogenannten feindlich gesinnten ‚Kontaktaufnahmen’ sollen dabei vor allem von Männern mit arabischem Hintergrund ausgehen, die die Eskalation in Israel und dem Gazastreifen zum Anlass für Drohungen und Angriffe gegen jüdische Gemeinden in Deutschland nutzen“.[4]

Diese Befürchtungen sollten sich, wie die Ereignisse am Abend des 12. Mai 2021 in Gelsenkirchen belegen, als berechtigt erweisen. Nach Informationen der WAZ hatten sich „etwa 180 Menschen zu einer Demonstration versammelt. Fahnenschwenkend und ‚Kindermörder Israel‘ skandierend zog der Protestzug gegen 17.40 Uhr über den Bahnhofsvorplatz in Richtung Synagoge“.[5] Zu sehen ist die von der Polizei eingekesselte Protestversammlung in der Gildenstraße in Sichtweite der Synagoge. Kurzzeitig werden zudem Symbole der Grauen Wölfe präsentiert. Unüberhörbar ertönen „Allahu Akbar-Rufe“ und Parolen wie „Scheiß Juden“. [6] Die Bilder sind verstörend bis unerträglich.

 

Antisemitismus an Schulen

Das Ausmaß von Antisemitismus und Ressentiments gegen die in Deutschland lebenden Juden ist aber kein Problem, welches erst seit kurzem besteht. Denn Antisemitismus zeigt sich schon seit Längerem auch an deutschen Schulen. Die Bildungsgewerkschaften und die Lehrerverbände schätzen den Antisemitismus an Schulen als großes Problem ein, das durch mangelnde Aufklärung und kulturelle Konflikte noch verstärkt wird. So äußerte sich zu diesem Problem die Schulbeauftragte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW):

„Der Antisemitismus an Schulen hat zugenommen. Er war zwar nie verschwunden, aber die Themen Holocaust und jüdisches Leben in Deutschland sind für die Jugend nicht mehr so präsent“.[7]

Der Präsident des Lehrerverbandes bezeichnet Schulen als Spiegel der Gesellschaft und erklärt zu diesem Thema:

Daher ist Antisemitismus auch an Schulen ein Problem. Es gibt ihn in unterschiedlichen Erscheinungsformen. So kommt es zu antisemitischen Vorfällen von Schülern aus der neonazistischen Szene und auch von Schülern mit Migrationshintergrund, die einen Bezug zum Nahen Osten haben“.[8]

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung sieht an Schulen dringenden Handlungsbedarf. Das Wort „du Jude“ ist zu einem Schimpfwort auf vielen deutschen Schulhöfen verkommen. In einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ sagt er insbesondere:

„Wir erleben, dass muslimische Schülerinnen und Schüler nicht zum Unterricht erscheinen wollen, wenn der Holocaust thematisiert werden soll, und es gibt auch absolut nicht hinnehmbare Chats von Schülergruppen, wo zum Beispiel ein Bild von Anne Frank gezeigt wird, mit einer Werbung für Tiefkühlpizza unterlegt, wo dann steht, die Ofenfrische. Lehrerinnen und Lehrer sind oftmals nicht in der Lage, mit diesen antisemitischen Dingen umzugehen“.[9]

Als möglichen Lösungsansatz schlägt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung vor, dass ein Besuch einer Gedenkstätte in der Ausbildung für Lehrer zur Pflicht gehören müsse, damit man sich aktiv mit der Geschichte des Holocaust auseinandergesetzt habe. Weitergehend hält er es für entscheidend, die Entstehung des Staates Israel zu kennen; denn der Antisemitismus, der heute auf Schulhöfen verbreitet ist, hat oftmals mit der Entstehungsgeschichte Israels zu tun. Jüdische Schüler werden dafür verantwortlich gemacht, was in Israel gesellschaftlich oder politisch vorfällt; eine solche Haltung ist antisemitisch und nicht hinnehmbar. Weitergehend sollen Lehrerinnen und Lehrer auch die Rechtslage kennen. Denn die Verfolgung von Antisemitismus scheitert, laut des Antisemitismusbeauftragten, oftmals daran, dass dieser eben nicht erkannt wird.[10] Auch im Geschichtsunterricht müsse anders über jüdisches Leben in Deutschland und über den Antisemitismus nach 1945 gesprochen werden.[11]

 

Die AfD-Fraktion beantragt vor diesem Hintergrund:

  • Der Rat der Stadt Wiehl bekundet seine Solidarität mit Israel und mit seiner Partnerstadt Jokneam.
  • Um die Beziehungen zu Israel und zur Partnerstadt Jokneam zu vertiefen, soll die Verwaltung ein tiefergehendes Schüleraustauschprogramm für die Sekundarstufe eruieren, damit grundsätzliche Ressentiments gegenüber Juden abgebaut und junge Menschen schon früh für das Thema Antisemitismus sensibilisiert werden können.
  • Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, inwiefern der Besuch einer Holocaust-Gedenkstätte für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe in Form einer Exkursion oder als Bestandteil einer Klassenfahrt verpflichtend angeboten werden kann.
  • Die Verwaltung erstellt ein Förderprogramm zur Stärkung der Zusammenarbeit mit der Partnerstadt Jokneam. Zur Stärkung dieser Zusammenarbeit können Vereine, Initiativen, Institutionen, private und öffentliche Einrichtungen und Bürgerinnen und Bürger Zuschüsse für Projekte beantragen. Bezuschusst werden können Projekte, die die Städtepartnerschaft stärken. Gefördert werden vor allem Erstkontakte. Besonders berücksichtigt werden Vorhaben, die sich mit den Themen Jugend und Bildung beschäftigen. Solche Vorhaben können zum Beispiel sein: Begegnungen von Kindern- und Jugendgruppen, Kultur- und Sportveranstaltungen, Seminare, Workshops, Konferenzen oder Symposien. Die Verwaltung wird beauftragt Förderrichtlinien zu erstellen.

 

[1] Vgl. https://www.muensterlandzeitung.de/nachrichten/verbrannte-israel-flaggen-in-nrw-laschet-verurteilt-angriffe-auf-synagogen-1633220.html

[2] Vgl. https://www.spiegel.de/panorama/nordrhein-westfalen-verstaerkt-sicherheitsmassnahmen-an-synagogen

[3] Vgl. https://www.24rhein.de/rheinland-nrw/synagogen-polizeieinsatz-fahne-angezuendet-tuer-beschaedigt-staatsschutz-festnahme-muenster-bonn-90573697.html

[4] Vgl. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/nach-terrorangriff-auf-israel-alarmiert-angst-vor-islamistischen-attacken

[5] Vgl. https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/gelsenkirchen-demonstration-gegen-israel-in-der-innenstadt-id232279927.html?fbclid=IwAR17u7opFLcqDsk92cN6kqoC1fENdt7SSg6mGsMsqIfxOfhfbnzh-gwZ4t4

[6] Vgl. https://www.facebook.com/100009909318578/videos/1489860348020928/

[7] Vgl. https://www.rnd.de/politik/antisemitismus-an-schulen-viele-lehrkraefte-fuehlen-sich-mit-dem-problem-alleingelassen-BT6D6QF5ZJBZRJM3TWUFMOEI2Q.html

[8] Vgl. https://www.rnd.de/politik/antisemitismus-an-schulen-viele-lehrkraefte-fuehlen-sich-mit-dem-problem-alleingelassen-BT6D6QF5ZJBZRJM3TWUFMOEI2Q.html

[9] Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismusbeauftragter-felix-klein-lehrer-oftmals-nicht.680.de.html?dram:article_id=487225

[10] Vgl. Ebd.

[11] Vgl. Ebd.