Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrats,
sehr geehrte Damen und Herren,

wie die Geschichte Generationen vor uns prüfte, prüft sie jetzt auch uns.

Mit dem Coronavirus, Putins Angriff auf die Ukraine, der Inflation und der Energiekrise ist ein Sturm multipler Krisen aufgezogen. Warnzeichen waren vorhanden, doch sie wurden ignoriert. Wir taten, als wäre immerfort schönes Wetter, ja, als hätten wir ein Recht auf unbegrenzten Sonnenschein.

Dabei ist das Unwetter nicht erst seit den Krisen sichtbar. Unsere Wirtschaft, die uns zuverlässig durch alle Krisen der Vergangenheit getragen hat, ist ins Stocken geraten, und der Boom der letzten Dekaden baute vor allem auf fünf großen Säulen:

Erstens: Billiges russisches Gas. „Wird schon schiefgehen“, war die Devise. Es ist schiefgegangen.

Zweitens: Billige Arbeitskraft und großer Absatzmarkt beim demokratischen Musterknaben und Menschenrechtsconnaisseur China – super!

Drittens: Verteidigung durch die USA. Dank des Friedensprojekts „EU“ wird es keinen Krieg in Europa geben. Wofür brauchen wir dann noch eine teure Bundeswehr?

Viertens: Günstige Demografie. Der große Schwall „Babyboomer“ stieg mit jedem Jahr in der Erwerbsbiografie und zahlte mehr Steuern; eine einfache Rechnung. Dieser Effekt kommt mit dem Renteneintritt zum Erliegen. So warnte nun der Arbeitgeberpräsident Dulger, dass das System bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre kollabieren könnte, wenn die Politik nicht irgendwann einmal handelt.

Fünftens: Die deutschen Hidden Champions. Sie schafften es bislang trotz der teils schwierigen Umständen und Entscheidungen die in der Politik gefällt wurden. Das sind diejenigen, die Steuern zahlen, Jugendliche ausbilden, auf der ganzen Welt erfolgreich sind und nun immer häufiger ihren Laden schließen müssen, weil sie zum Beispiel die Energie zur Fertigung nicht mehr bezahlen können und unser Schulsystem ihnen keine Fachkräfte mehr liefert.

Fünf von fünf Säulen sind umgestoßen, wackeln oder bröseln in sich zusammen.

Apropos Fünf: In Nordrhein-Westfalen ist inzwischen jeder Fünfte von Armut gefährdet. Längst ist Armut dabei kein Problem mehr von Arbeitslosen alleine; mittlerweile können sich selbst viele Berufstätige das tägliche Leben nicht mehr leisten. Laut Erhebung der Sparkasse bleibt bereits jetzt schon bei 60 % der Menschen am Ende des Monats nichts mehr übrig. Und da sind wir nun auch schon indirekt in Wiehl angelangt.

Der Schwerpunkt Ihrer Haushaltsrede Herr Stücker, war der Klimawandel und damit auch zusammenhängend der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Kein Land der Welt hat so viel Geld in den Umbau des Energiesystems gesteckt – mit dem teuersten Strompreis Europas als direkte Folge. Das Wall Street Journal bezeichnete dies 2019 als „die dümmste Energiepolitik der Welt“. Das Ziel was derzeit gebetsmühlenartig wiederholt wird, lautet:

Jetzt muss die Windenergie ausgebaut werden, noch schneller, noch härter. Die Menschen müssen noch mehr sparen, noch schneller raus aus der Kohle, nun schon 2030 statt 2038.

Und was passiert zeitgleich in Deutschland? In Baden-Württemberg wurde vergangene Woche am 7. Dezember der Strom knapp. Die Welt schrieb am 1. Dezember: „Es gibt kaum Sonnenlicht Ende November, gleichzeitig weht aber auch fast kein Wind. Es ist der Worst Case für ein Land, das vor allem auf erneuerbare Energieträger setzen will.“

Und was ist nun mit der Kohle? Hoppla: Im ersten Quartal 2022 war diese mit 31 % der mit Abstand wichtigste Energieträger zur Bruttostromerzeugung.

Aber immerhin spart der Ausstieg 280 Millionen Tonnen CO2. China stößt diese Summe übrigens in 9 Tagen aus. Koste es die anderen, was es wolle, die Altbauschickeria aus den besseren Vierteln in Deutschland will sich besser fühlen.

Bevor Deutschland angefangen hat, Kohle- und Kernkraftwerke abzuschalten, die Preise für CO2-Zertifikate in die Höhe zu treiben und über die EU Finanzierungsbeschränkungen für Explorationsvorhaben zu implementieren, lag der Börsenpreis für Strom bei 3 Cent pro Kilowattstunde. Ende 2021 lag der Preis dann bereits bei 20 Cent pro Kilowattstunde. Er hatte sich also ausschließlich durch die verfehlte  Energiepolitik mehr als versechsfacht – und das alles vor dem Krieg. Irgendwann wird man sich fragen: Womit wurde in Deutschland Licht gemacht, bevor es Kerzen gab? Richtig, mit Strom.

Wenn es Ihnen bei all dem wirklich um die CO2- Reduktion ginge, würden Sie nicht ignorieren, dass selbst der Weltklimarat, Kernkraft als geeignetes Werkzeug gegen den Klimawandel anerkannt hat. Das würde schlussendlich die energieintensiven Unternehmen, die Menschen und auch wie gerade schon erwähnt das Klima entlasten.

Geiz ist nicht mehr geil, deshalb wirbt man vermutlich auch nicht mehr damit. Der soziale Frieden wurde mit immer steigenden Sozialausgaben und Subventionen für die Wirtschaft erkauft. Die deutsche Redensart „spare in der Zeit, so hast du in der Not“ wurde völlig aus dem Blick genommen. Die deutsche Staatsverschuldung, vor allem die implizite ist geradezu explodiert. Jeder dritte erwirtschaftete Euro fließt mittlerweile in Sozialabgaben. Dennoch platzen die Tafeln aus allen Nähten. So gut hat die Umverteilung funktioniert, so tief gehen mittlerweile die Probleme. Es geht gar nicht mehr darum, ob eine Pleitewelle, eine Rezession überhaupt über uns hereinschwappt, sondern nur noch wie heftig. Selbst völlig aus der Zeit gefallene Fragen wie: „Gibt es noch genügend Gas und Strom im Winter?“, sind mittlerweile aktuell. Sie werden Sinnbild des Abstiegs.

Aber kommen wir von dem Grundsätzlichen auf das Konkrete. Was bedeutet das soeben Gesagte für die Stadt Wiehl?

Jede Stadt finanziert sich durch Steuern. Steuern für die Menschen und Unternehmen hart gearbeitet haben. Dieser Schweiß ist mit den Haushaltseinnahmen der Stadt stark verwurzelt. Hinter jedem Euro der von der Stadt ausgegeben wird, ist mal plakativ gesagt eine Arbeitsleistung erbracht worden. Und wenn man dann liest, dass die Menschen gleichbleibende Steuern zahlen und lediglich mit immer neuen Hilfspaketen vielleicht Entlastung erfahren dürfen und dann unterm Strich bei ihrem Lebensunterhalt sparen müssen, damit man überhaupt über die Runden kommt, gilt es umso verantwortungsvoller mit den erhaltenen Steuermitteln zu wirtschaften.

So gibt es auf der einen Seite Dinge im Haushalt, die uns erfreuen, gar nicht teuer sind und wo wir glauben, dass diese in der Bevölkerung gut ankommen werden.

Da ist zum Beispiel der Erwerb der Lizenz für die Software Little Bird zu erwähnen. Es sind nur in Anführungszeichen 35.000 €, aber der Digitalisierungsprozess bei der Anmeldung von Kindern in Kindergärten, war längst überfällig.

Auch ist da der allgemeine Ansatz der Wirtschaftsförderung in Höhe von 120.000 € zu nennen. Wir finden es gut, wenn man Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützt und entsprechend fördert. Unsere Stadt und unser Land benötigt kluge und mutige Köpfe.

Die Investitionen in unsere Freiwillige Feuerwehr können wir ebenfalls nur vollends unterstützen. Dieses Jahr durfte ich das erste Mal an der Jahresdienstbesprechung der Feuerwehr teilnehmen und ich war beeindruckt über den Antrieb und die Einsatzbereitschaft der Truppe. Daher sind wir gut daran gelegen, dass wir die Motivation mit entsprechenden Investitionen wie vorgesehen, weiterhin hochhalten.

Auf der anderen Seite: wenn ich mir den Haushalt so anschaue, vermisse ich an der einen oder anderen Stelle die Demut unserer Stadt in den doch schwierigen Zeiten gegenüber dem Steuerzahler. Das möchte ich einmal an vier Beispielen festmachen:

Beispiel 1: Durch einen vom Land NRW erlaubten Taschenspielertrick können abermals Kosten die im Zusammenhang mit Corona oder dem Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine stehen isoliert werden. Die Gesamtisolierung beträgt dann im Haushaltsjahr 2023 voraussichtlich 10,3 Mio. Euro. Kosten die entweder 2026 auf einen Schlag bezahlt oder über 50 Jahre abgeschrieben werden und damit jährlich die folgenden Generationen belasten. Ohne die Isolierung befänden wir uns spätestens nach dem Verzehr der Rücklagen im Genehmigungshaushalt und vielleicht auch bald darauf im Haushaltssicherungskonzept. Unterm Strich gewinnen wir durch die Kostenisolierungen ausschließlich Zeit und einen geschönten Haushalt, der dazu verleitet an anderer Stelle mehr Geld auszugeben. Ist das dem Steuerzahler gegenüber verantwortlich?

Beispiel 2: In einer Zeit in der fast alle Menschen kürzer treten müssen, plant die Stadt Netto-Investitionen in Höhe von 28 Millionen Euro. Einiges davon sind natürlich nur Ermächtigungen, für den Fall, dass man zum Beispiel endlich Mal eine Entscheidung hinsichtlich des Gymnasiums trifft. Aber trotzdem steht auch hier eine Kreditaufnahme in Höhe von 27 Mio. Euro im Raum. Und wenn ich mir die Investitionssumme der ISEK Maßnahmen so anschaue, bin ich mir nicht sicher, ob die Investitionssumme von 6 Mio. Euro wirklich zwingend ist, wenn ich nur einmal an das Informations- und Leitsystem für touristische Zwecke in Wiehl zurückdenke, welches unterm Strich über 100.000 € gekostet hat.

Beispiel 3: Das Gymnasium … Andere Kommunen haben in der Zeit wo wir darüber gesprochen haben, neue Schulkomplexe gebaut. Seit wie vielen Jahren wird eine Entscheidung nun schon verschleppt? Wenn ich an das kommende Haushaltsjahr mit all seinen Unabwägbarkeiten wie Inflation, Lieferengpässe und wirtschaftliche Entwicklung des Standorts Wiehl denke, weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie verantwortungsvoll eine Entscheidung unter diesen Umständen und bei einer solch hohen Investitionssumme ist. Das Gymnasium darf nicht zur Nachahmung der Kölner Oper, des Berliner Flughafens oder der Hamburger Elbphilharmonie führen. Wir haben es schlicht in den vergangenen Jahren versäumt wirklich aktiv zu werden. Die Förderung über ISEK ist nicht mehr möglich und wir der Stadtrat als gesamtes hat dabei eine wirklich schlechte Figur gemacht. Dabei ist der wichtigste Faktor zur Zukunftsfähigkeit eines rohstoffarmen Landes die Anzahl seiner klugen Köpfe.

Damit kommen wir auch schon zum Beispiel 4: Das Grundproblem einer destruktiven Hyper-Heterogenität in den Klassenzimmern bekommen wir auch nicht mit der Schaffung einer Gesamtschule gelöst. Sie verschlimmern es viel mehr noch. Denn wie sollen die Lehrer eine Lernatmosphäre schaffen, in der jeder Schüler profitiert? Damit wird das Gebilde einer homogenen Lerngruppe ad absurdum geführt. Zumal eine Oberstufe mit dem Gymnasium in Wiehl schon längst existiert. Demnach müssen wir uns die Frage stellen, ob es schon Völlerei ist, wenn man zwei Oberstufen in Wiehl unterhält.

Auch müssen wir uns mittelfristig Gedanken darüber machen, inwieweit sich Wiehl als Stadt den Unterhalt einer Eishalle leisten kann. Eine Eishalle ist grundsätzlich gesehen ein Mehrwert für die Region. Die nächsten Eishallen sind in Bergisch Gladbach, Troisdorf oder Iserlohn. Das Einzugsgebiet für das Erlebnis auf Kufen ist demnach immens. Die Verluste die durch die Eishalle entstehen, tragen allerdings ausschließlich die Steuerzahler der Stadt Wiehl. Für dieses Ungleichgewicht muss künftig eine Lösungen gefunden werden.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Stücker, wir tun uns dieses Jahr extrem schwer dem aufgestellten Haushalt für das Jahr 2023 zuzustimmen. Investitionen in Höhe von 28 Millionen Euro ist ein dickes Brett was im kommenden Jahr gebohrt werden soll. Vor allem die Unabwägbarkeiten der Lieferengpässe, der Inflation und Energiepreisentwicklung lassen uns zweifeln, ob der jetzige Zeitpunkt tatsächlich der Richtige ist für so hohe Investitionssummen.

Denn wir dürfen nicht die Notwendigkeit mit der Schwelgerei verwechseln.