Sehr geehrte Mitglieder,
der Antrag zum Mitgliederparteitag zielt letztlich darauf ab, allen Gliederungen der Partei zwingend vorzuschreiben, Parteitage ausschließlich als Vollversammlungen auszurichten. Die Theorie, damit sei ein Mehr an Demokratie verbunden, trifft nicht zu. Das könnte nur angenommen werden, wenn es Vollversammlungen in der Realität gäbe. Es gibt sie aber nicht.
Unabhängig davon, ob ein Parteitag als Vollversammlung oder als Vertreterversammlung einberufen wird, nehmen nicht alle oder auch nur eine Mehrheit der Mitglieder teil. Der Parteitag ist immer ein Ausschnitt der Mitgliedschaft. Der Unterschied liegt darin, wie sich dieser Ausschnitt zusammensetzt.Das Argument, wer zu einer Vollversammlung nicht anreise, verzichte freiwillig auf Mitbestimmung und dem geschehe kein Unrecht, wenn andere für ihn mit entscheiden, trägt allenfalls dort, wo eine persönliche Teilnahme für alle Mitglieder problemlos möglich ist. Das ist uneingeschränkt wohl nur auf Kreisebene (und in Bundesländern, die in ihrer Ausdehnung Kreisverbänden entsprechen) der Fall.
Bei höheren Ebenen ist die Teilnahme an Parteitagen mit einem Aufwand an Zeit und Geld verbunden, den nicht alle Mitglieder gleichermaßen leisten können und wollen. Ein Mitgliederparteitag oberhalb der regionalen Ebene ist keine Vollversammlung, sondern eine Versammlung einer Minderheit von Mitgliedern, die nach Wohnort, Finanzkraft und verfügbarer Freizeit selektiert ist – also nach Zufallskriterien und (über die Auswahl des Ortes) vom ausrichtenden Vorstand. Dort besteht eine „Vollversammlung“ überdurchschnittlich aus den Mitgliedern, die in einem näheren Umkreis vom Versammlungsort wohnen. Ein Schnitt dürfte bei der Entfernung liegen, jenseits derer eine Hotelübernachtung nötig wird.
Damit gewinnt die Frage des Veranstaltungsorts eine wesentliche Bedeutung. Wer ihn festlegt, erhält einen beträchtlichen Einfluss auf die Zusammensetzung der „Vollversammlung“. Eine Vertreterversammlung stellt ebenfalls einen Ausschnitt der Mitgliedschaft dar. Diese repräsentiert die Gesamtmitgliedschaft aber gleichmäßiger, weil die Mitglieder aller Landesteile unabhängig vom Veranstaltungsort proportional vertreten sind. Die Verzerrungen nach Wohnort wie auch nach Finanzkraft entfallen, weil die entsendende Gliederung die Teilnahme ihrer Vertreter finanziell unterstützen kann. Man kann nominelle „Vollversammlungen“ auf Landes- und Bundesebene aus anderen Erwägungen anstreben. Was aber nicht zutrifft, ist die Behauptung, diese seien per se demokratischer. So oder so bildet eine Minderheit der Mitglieder das Organ „Parteitag“. Der Unterschied liegt darin, nach welchen Maßstäben diese Minderheit sich zusammensetzt.
Vorzugswürdig erscheint uns ein häufigerer Einsatz von Mitgliederentscheiden in wichtigen Sachfragen, da auf diesem Weg tatsächlich alle Mitglieder gleichermaßen an Entscheidungen beteiligt werden können.
Ihr
Landesvorstand der AfD NRW